Am 2. Mai 2022 fand die öffentliche Sitzung der Gemeindevertretung, in der Bürgermeister Thorsten Vaupel verabschiedet und sein Amtsnachfolger Jens Nöll in das Amt des Bürgermeisters eingeführt wurde, statt. Nachstehend die Abschiedsrede von Herrn Bürgermeister Vaupel.
Abschiedsrede Bürgermeister Thorsten Vaupel am 2. Mai 2022
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren der Gemeindevertretung
und des Gemeindevorstandes,
liebe Ehrengäste,
sehr geehrte Damen und Herren,
[Es gilt das gesprochene Wort]
Ich danke Ihnen, ich danke meinen Vorrednern für die freundlichen Worte, die Sie zu meiner Verabschiedung gefunden haben. Ich habe in meiner Amtszeit sehr viele Reden gehalten, aber diese am heutigen Tag ist mit Abstand die schwierigste. Auf den Tag genau vor sechs Jahren habe ich an dieser Stelle meine Rede zur Amtseinführung gehalten und damals hat nach einem Wahlergebnis von 82,5 Prozent fast jeder geglaubt, dass ich 12 oder vielleicht sogar 18 Jahre Bürgermeister des Marktfleckens Frielendorf sein werde. Nun ist es, wie Sie alle wissen, anders gekommen. Ich hatte mich im vergangenen Jahr nach langer Überlegung im Familienkreis dazu entschlossen, nicht wieder als Bürgermeister zu kandidieren. Ich tue das mit dem guten Gefühl, dazu beigetragen zu haben, dass es in unserer liebens- und lebenswerten Gemeinde gut läuft.
Bei meiner Amtseinführung habe ich gesagt, dass ich als Privatmensch jemand bin, der nicht über seine Verhältnisse lebt und dass ich das auch auf meine Arbeit als Bürgermeister übertragen will. Ich habe damals auch betont, dass es ein „Kaputtsparen“ nicht geben wird und ich ein ausgeglichener Mensch bin, wenn wir einen ausgeglichenen Haushalt haben.
Ausgeglichene Haushalte und die Gemeinde wieder auf finanziell solide Füße stellen, das war mein oberstes Ziel.
Und ich habe damals betont, dass es mir bei meiner künftigen Arbeit nicht darum geht, das ein oder andere Denkmal zu setzen, sondern die vorhandene gute Infrastruktur zu erhalten und diese im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten schrittweise auszubauen. Hauptaufgabe war, die öffentlichen Gebäude und Liegenschaften zu erhalten und diese zugleich auf Vordermann zu bringen. So haben wir beispielsweise stetig in die Kindertagesstätten, Spielplätze, Dorfgemeinschaftshäuser, Schwimmbäder, den Bauhof und auch in das Rathaus investiert und uns nicht zuletzt im Rahmen Interkommunaler Zusammenarbeit zukunftsfähig aufgestellt.
Gerade in Zeiten wie diesen zahlt es sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, dass sich die finanzwirtschaftliche Situation des Marktfleckens Frielendorf in den letzten Jahren erheblich verbessert hat. Als erste Schutzschirmkommune standen wir selbstverständlich unter besonderer Beobachtung und die Skepsis war am Anfang – zumindest in der Öffentlichkeit – recht groß, aber das Ergebnis spricht für sich. Ein „Kaputtsparen“ hat es nicht gegeben. Es wurde vielmehr ein Augenmerk darauf gelegt, an der „richtigen“ Stelle zu sparen.
In den Haushaltsjahren 2015 bis 2021 wurden aufgrund erheblicher Sparbemühungen Überschüsse des ordentlichen Ergebnisses erwirtschaftet. Frielendorf war die erste hessische Schutzschirmkommune, die 2012 mit dem Land eine vertragliche Vereinbarung über Maßnahmen zur Erreichung des Haushaltsausgleichs abgeschlossen hatte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schutzschirmvereinbarung mit dem Land Hessen im Jahr 2012 betrug der Schuldenstand der Gemeinde Frielendorf 46 Millionen Euro. Die Entschuldungshilfe durch den Schutzschirm belief sich auf 17 Millionen Euro. Ende des Jahres 2022 wird der Schuldenstand auf unter 17 Mio. Euro sinken. Darüber hinaus haben wir in 2017 so nebenbei 1. Mio. Euro Kassenkredite zurückgezahlt, haben seitdem eine sehr solide Liquidität und sind nicht mehr auf Kredite jeglicher Art angewiesen. Es wird praktisch alles aus der Portokasse gezahlt.
Und neben dem täglichen Geschäft mussten auch noch die Jahresabschlüsse nachgeholt werden. In den sechs Jahren wurden die Jahresabschlüsse 2012 bis 2020 (9!) erstellt und 2021 ist fast fertig – 9 Jahresabschlüsse und der 10te ist kurz vor der Fertigstellung!
„Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“. Diese Weisheit gilt nach wie vor und so haben wir in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen vorgesorgt und Rücklagen gebildet. Trotz der seit 2020 schwierigen Gesamtsituation können wir auch den Haushalt 2022 im Plan wiederum ausgeglichen gestalten, aber wenn es sein muss, können wir auf eben diese Rücklagen zurückgreifen. Genau dafür sind sie ja da – für Notzeiten und davon wird mein Nachfolger Jens Nöll profitieren.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass dies nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern für Verständnis gesorgt hat, aber ich stehe nach wie vor dazu. „Nein“ zu sagen ist immer schwieriger als „Ja“ zu sagen. Und ich habe in meiner Amtszeit bei finanziellen Wünschen leider mehr „Nein“ als „Ja“ sagen müssen.
Und die Betonung liegt auf „müssen“. Zeitweise hatte ich die Rolle – sehen Sie mir bitte die etwas überspitzte Formulierung nach - eines Insolvenzverwalters.
Diese Rolle hat viel Zeit und Kraft gekostet und auf Dauer ist das definitiv kein schöner Umstand für die eigene Lebenssituation. Nicht Wunschkonzert, sondern „Top down“ war nach kurzer Analyse der Finanzlage leider erforderlich. Gemeinde ging vor Partei. Maß und Mäßigung war mein Credo.
Die hohe Schlagzahl in den vergangenen Jahren wurde belohnt, hat aber auch Spuren hinterlassen. Die Grenze der Belastbarkeit wurde oft erreicht.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, denen ich viel zugemutet habe und die unter größter Kraftanstrengung diesen Erfolg erst möglich gemacht haben. Aber auch ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeitenden des Bauhofs für ihren Einsatz sowie an die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten, die nicht nur in der jetzigen schwierigen Corona-Situation eine großartige Arbeit leisten und den Kindern ein Stück weit „Normalität“ und Sicherheit geben. Namentlich möchte ich niemanden hervorheben, weil jede und jeder wichtig ist. Ob Hauptverwaltung, Kämmerei, Bauamt, Bürgerservice, die Mitarbeitenden in den Kitas oder auf dem Bauhof, alle sind wichtig und unentbehrlich und tragen dazu bei, dass „der Laden läuft“.
Ich habe mich fortwährend in die täglichen Verwaltungsabläufe eingemischt. Das war bei den Mitarbeitenden nicht immer beliebt, aber eben mein Verständnis als Behördenleiter. Herzlichen Dank, dass Ihr mich unterstützt habt! Herzlichen Dank auch für die täglichen Gespräche und Diskussionen, die immer sachlich und lösungsorientiert waren.
In manche Büros bin ich mit meinen vielen Ideen reingekommen und hatte kurze Zeit später die ersten Umsetzungsvorschläge auf dem Tisch. Das hat Spaß gemacht und die kurzen Wege weiß ich zu schätzen. In den Dank schließe ich ausdrücklich auch alle Mitarbeitenden im Rahmen der Interkommunalen Zusammenarbeit ein.
Gemeinschaftskasse mit Vollstreckungsstelle, Steueramt, Personalwesen, Technische Betriebsführung der Abwasseranlagen, Verwaltungsdigitalisierung, gemeinsame Kleiderkammer für die Feuerwehren. Überhaupt hat das Thema IKZ in den letzten sechs Jahren eine große Rolle gespielt und wird es auch weiterhin tun. Betonen darf ich an dieser Stelle, dass wir mit der IKZ keinesfalls unsere Eigenständigkeit aufgeben wollen, sondern vielmehr finanzielle Einsparpotenziale und auch die Chance nutzen, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern und Unternehmen ein besseres Leistungsangebot zu machen. Zudem bietet die Digitalisierung gerade im Verwaltungsbereich Möglichkeiten, Ressourcen einfach zu bündeln und effizienter einzusetzen.
Mit Sorge betrachte ich, dass sich in den letzten Jahren in der Politik im Allgemeinen und mithin auch in der kommunalpolitischen Landschaft viel verändert hat. Respekt und Toleranz haben an einigen Stellen nachgelassen. Natürlich möchten die wenigsten von uns Bürgermeister sein. Viele wollen ja noch nicht einmal mehr Kassierer in einem Verein oder Elternsprecher sein. Alle Entscheidungen werden heutzutage kritisiert und zum Teil reißerisch in sozialen Netzwerken kommentiert. Leider werden persönliche Gesprächsangebote nur sehr selten angenommen.
Mein Bestreben war immer, die Belastbarkeit der Bürgerinnen und Bürger trotz Auflagen des kommunalen Schutzschirms in Grenzen zu halten. Durch unsere Konsolidierungsanstrengungen in den vergangenen Jahren konnten wir die Auswirkungen der Corona-Pandemie bislang ohne drastische Einschnitte verkraften.
Wir konnten eine Neuverschuldung, vor nicht allzu langer Zeit haben wir uns noch über die Vermeidung einer Nettoneuverschuldung gefreut, vermeiden und haben zudem die Zukunft des Standorts Frielendorf nicht durch Investitionskürzungen aufs Spiel gesetzt. Klar ist, dass man immer mehr machen kann. Und so wird es immer Kritiker geben, die mehr wollen als finanziell möglich respektive vertretbar ist.
So haben wir auch nicht an der Realsteuerschraube gedreht und die Hebesätze der Gewerbesteuer sowie der Grundsteuer A und B nicht erhöht. In Frielendorf haben wir mit die niedrigsten Hebesätze im Schwalm-Eder-Kreis. Mission erfüllt. Aber das habe ich selbstredend nicht allein geschafft. Ich konnte mich in den vergangenen sechs Jahren immer auf meine motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auf engagierte Kommunalpolitikerinnen und -politiker verlassen.
Wir pflegen einen Politikstil, der seinesgleichen sucht und um den wir vielerorts beneidet werden. Das spiegelt sich in den Abstimmungsergebnissen wieder, die durch zum Teil längere und vor allem vertrauensvolle Diskussionen im Vorfeld zustande kommen. Wir haben in Frielendorf ein richtig gutes politisches Miteinander und suchen den Konsens. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll bitte auch in den kommenden Jahren so bleiben.
Bei den Mitgliedern der Gemeindevertretung, des Gemeindevorstandes und der Ortsbeiräte bedanke ich mich für Ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und sich für unsere Gemeinde einzusetzen. Das ist nicht selbstverständlich. Denn dieses ehrenamtliche Engagement erfordert viel Zeit, viel Know-how und viel Energie.
Viel mehr, als manch Außenstehender denkt. Und dieser ehrenamtliche Einsatz wird Ihnen keineswegs immer gedankt.
Ein großes Dankeschön an die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr. Ich war mit Leib und Seele Feuerwehrmann und in meiner Brust haben oft zwei Herzen geschlagen, nämlich das des Kameraden und das des Dienstherrn, wodurch es manchmal zu Interessenkollisionen kam. Die Feuerwehr ist nach wie vor eine starke und elementar wichtige Gemeinschaft in unserer Gesellschaft. Sie bringt sich aber auch in das dörfliche Leben ein und zeigt eine breite Präsenz im örtlichen Gemeinschaftsleben. Kurzum: Die Feuerwehr trägt dazu bei, dass aus unserer Gesellschaft eine Gemeinschaft wird. Nicht „Tu was“, sondern „Wir tun was“ ist unser Motto!
Dank auch an alle Ehrenamtlichen in Vereinen und Verbänden. Dieses Engagement unterstützen wir nicht nur ideell, sondern mit unserer Vereinsförderung auch finanziell.
Danke auch an die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Kirchen und insbesondere zu allen Pfarrerinnen und Pfarrern sowie der Leitung der Ev. Kita Frielendorf.
Lieben Dank an die Schulleitungen für das gute Miteinander.
Ich danke meinen Bürgermeisterkollegen und Landrat Winfried Becker sowie dem Ersten Kreisbeigeordneten Jürgen Kaufmann für die sehr angenehme und von gegenseitigem Respekt geprägte Zusammenarbeit. Bei allem Ernst kam der Spaß nie zu kurz.
Mir war bewusst, dass ich es nicht allen recht machen kann. Aber ich habe schon bei meiner Amtseinführung versprochen, dass ich meine ganze Energie zum Wohle unserer lebens- und liebenswerten Gemeinde einsetzen und immer ein offenes Ohr für die Belange meiner Mitbürgerinnen und -bürger haben werde. Und ich habe damals noch etwas versprochen, vor dem mich meine Frau gewarnt hat: Ich bin 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr für SIE einsatzbereit.
Sie hat wie so oft recht damit gehabt. Ich war ständig einsatzbereit und das auch im Urlaub, in dem ich oft stundenlang vor dem Rechner saß und für meine Familie nicht ansprechbar war. Das konnte auf Dauer nicht gutgehen und hat auch gesundheitliche Spuren hinterlassen. Diese sechs Jahre waren sehr schön und von sehr vielen positiven Erlebnissen und Begegnungen geprägt, aber sie waren auch sehr nerven- und kräftezehrend. Ich bin von Herzen gern Bürgermeister, gehe immer voran und lebe rund um die Uhr das bedeutende Amt. Nichtsdestotrotz habe ich das unterschätzt. Die Privatheit fehlt, man hat nie Feierabend.
Problematisch war auch, dass ich ein überzogenes Kontrollbedürfnis und den Zwang, alles perfekt machen zu wollen, habe. Das frisst einen in so einem Job auf.
Die Gemeinde ist wichtig und stand an erster Stelle. Aber die Familie ist zu kurz gekommen und nun ist sie wichtiger und steht wieder an erster Stelle. Lieben Dank Isabelle, dass Du mich in meiner Amtszeit jederzeit begleitet und unterstützt hast.
Künftig bist Du nicht mehr die Frau des Bürgermeisters, sondern ich bin wieder der Mann der Hebamme. Lieben Dank auch an meine bezaubernden Töchter Jolina und Amelie. Danke für Euer Verständnis und entschuldigt, dass Ihr mich so oft entbehren musstet.
Mein Herz ist mein Kompass und zeigt mir den Weg. Bei allem Streben nach beruflichem Erfolg ist und bleibt der wesentlichste Bestandteil des Lebens die Familie.
Meinem Nachfolger möchte ich an dieser Stelle keine klugen Tipps mit auf den Weg geben. Für einen erfolgreichen Start in seine Amtszeit haben wir die vergangenen Monate nach seiner Wahl sehr intensiv genutzt. Jens, ich wünsche Dir ein glückliches Händchen und lege Dir den notwendigen Schutzpanzer zu.
„Wenn Du liebst, was Du tust, dann wirst Du erfolgreich sein.“ (Albert Schweitzer)
Jetzt verabschiede ich mich von Ihnen und Euch, nicht in den Ruhestand, weil ich keinen Pensionsanspruch habe. Nach der Neuregelung erhalte ich erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze ein Altersruhegeld für meine 6-jährige Amtszeit. Ich werde mich nochmal beruflich verändern und ich werde mich wieder mehr ehrenamtlich engagieren und den Marktflecken Frielendorf als Abgeordneter im Kreistag vertreten. Darüber hinaus möchte ich ehrenamtlicher Geschäftsführer der WellnessParadies am Silbersee GmbH bleiben und so meinen Beitrag für den Marktflecken Frielendorf leisten.
Aber viel wichtiger als meine Person ist, dass wir endlich diese für uns alle schwierige Zeit bald hinter uns lassen können.
Erst Corona und dann kam auch noch ein Krieg mitten in Europa dazu. Dieser Krieg ist eine düstere Zeitenwende. Wir müssen alles tun, dass jede und jeder der Hilfe braucht, diese auch bei uns findet. Mit unseren Gedanken sind wir bei allen Ukrainerinnen und Ukrainern und wünschen uns mit ihnen die Rückkehr von Vernunft und Menschlichkeit sowie baldigen Frieden. Setzen wir uns gemeinsam gegen Krieg und für Frieden und Verständigung sowie humanitäre Hilfe ein.
Ich darf an dieser Stelle den Friedensnobelpreisträger Willy Brandt zitieren:
„Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“
Es war mir eine große Ehre, dem Marktflecken Frielendorf als Bürgermeister dienen zu dürfen.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich!
Glück auf!